Der Komiker Fil weiß, was Glück mit Fanta, Hubba Bubba und Pokémon zu tun hat

Fil, Foto: Steffen Schmitz (Carschten) / Wikimedia Commons

Gegen Ende des zweistündigen Programms im Mehringhof-Theater singt Fil ein Lied von der „Kindheit ohne Handy“. Wie immer bei seinen Songs unterbricht er sich, um kurz etwas zum Hintergrund des Liedes zu erzählen, abzuschweifen, damit sich wirklich auch „alle abgeholt und gesehen fühlen“, wie er sagt. Er spricht dann direkt die Ost-Berliner im Saal an und sagt, dass manche Sachen jetzt für „Menschen aus den neuen Bundesländern“ nicht bekannt seien. Dann zählt er auf: lauwarme Fanta, große Blasen von Hubba Bubba und sieben Tage auf die neue Folge von „Wickie“ warten. Das dann Folgende aber sei dann wieder für alle Zuhörer geeignet: „Opa war ein Nazi und Oma erst recht.“

Der Komiker Philip „Fil“ Tägert ist bereits seit November mit dem neuen Programm unterwegs. Er hat also schon einige Witze ausprobieren können und wie immer schauen auch an diesem Abend in Kreuzberg ihm alle fasziniert dabei zu, wie er quengelnde Pokémon-Kinder, schimpfende Opis, nervende Teenager und toxische Handwerker-Männer treffend nachahmen kann. FIL ist dann auch ein Zauberer, weil die Zuschauer buchstäblich vergessen, dass dort der „Didi & Stulle“-Zeichner steht, der einst in der Zitty Comics veröffentlichte; die Zuschauer aber sehen wirklich diese Kinder, Opis, Teenager und Handwerker vor sich und hören ihnen beim Berlinern zu.

Das aktuelle Programm „Wege zum Glück und wieder zurück“ von Fil erzählt denn auch ganz zeitgemäß vom Selbstoptimierungszwang unserer Zeit: Es ist ein Coaching-Seminar, das dem Publikum in mehreren Kapiteln offenbart, was Glück ist, wie man es findet – und irgendwann zufriedener durchs Leben geht. Die großen Glücksthemen wie Ruhm, Geld und Liebe werden an Beispielen so „geframed“, dass sie fast immer in Berlin spielen und dass allein die Perspektive schuld ist am Sich-unglücklich-Fühlen. Und am Ende hängt alles mit der Spülmaschine zusammen.

So bemitleidet Fil Stars wie Matthias Schweighöfer, die nicht einmal in der Tram nach Weißensee sitzen können, ohne auf einen schlechten Film angesprochen zu werden. Auch den Rolling Stones sei doch mit ihren 80 Jahren endlich ein Ruhestand zu gönnen, aber sie würden von ihren Fans noch immer in die Manege gepeitscht, müssten endlos neue Lieder herausbringen und auf Bühnen in Mikrofone singen. Ruhm sei eine Last, die Fil, so sagt er, selbst nicht tragen müsse: „Schon bei Mustafas Gemüsedöner am Mehringdamm ist mein Ruhm nichts mehr wert.“

Das Besondere am gebürtigen West-Berliner Philip Tägert ist eben sein Zugang zur Stadt, zu den öffentlichen Verkehrsmitteln, den Stadtteilen, den kleinen Begebenheiten auf Spielplätzen. Wenn sich vor 15 Jahren seine Witze vor allem auf den Prenzlauer Berg bezogen, ist auch der 56-Jährige ein paar Hundert Meter in Richtung Stadtrand gezogen und stellt jetzt eben Weißensee in den Mittelpunkt, den einzigen Startteil ohne U-Bahn-Anbindung. Hier wird noch Tram gefahren, und alle lesen die neue Ausgabe der BVG-Plus.

In einer U-Bahn habe er neulich diesen Spruch gelernt: „Glück ist Erlebnis minus Erwartung.“ Die Erwartungen im Publikum, von denen die wenigsten ihn sicherlich zum ersten Mal gesehen haben, wurden hörbar übererfüllt an diesem Abend. Mit ein bisschen Glück geht sogar ein Zuschauer mit einer DVD-Sammlung „Grey’s Anatomy“ nach Hause.

Zehn Jahre bleiben uns noch mit ihm, kündigt Fil an. Dann wird niemand mehr uns allen so trefflich vorführen können, wie wir gerade leben und was wir einander in der Stadt so antun. Das große „Learning“ des Abends versteckt sich im Lied „Die sieben Grundregeln des Glück“. Als er den Song ankündigt, zischt der Saal voller Besserwissern: „Sssss“. Fil hat damit gerechnet und nutzt die Gelegenheit, noch ein weiteres Mal abzuschweifen.

FIL und Wege zum Glück und wieder zurück.  Mehringhoftheater. Noch bis 20.1., Mi-Sa, 20 Uhr