Indonesien hat einen TikTok-Opa gewählt: Warum das auch eine gute Nachricht ist

Karte Indonesien

Noch sind die Wahlergebnisse nicht von allen 17.000 Inseln Indonesiens ausgezählt, aber schon jetzt ist ein Satz des Präsidenten-in-spe Prabowo Subianto für alle ein Thema: „Wir brauchen Europa nicht mehr.“ Prabowo wird sehr wahrscheinlich ohne eine weitere Stichwahl der neue Präsident des Inselstaates werden. Das aber wäre kein Sprung in unbekannte Gewässer, als der seine Wahl häufig bezeichnet wird.

Prabowo tritt mit Gibran Rakabuming Raka als Vize an, dem ältesten Sohn des amtierenden Präsidenten Joko Widodo, den alle nur Jokowi nennen. Die Indonesier haben also Kontinuität gewählt. Sicher, Prabowo ist auch ein ehemaliger General, dem empfindliche Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Aber Indonesiens Wähler hatten nie Scheu vor Militärs in politischen Positionen.

Mehr als 50 Prozent der Indonesier sind jünger als 40 Jahre, gerade die junge Bevölkerung hat Prabowo gewählt. Aber nicht, weil ihnen die Folterungen egal sind. Sie sprachen auf das clevere Rebranding des 73 Jahre alten Militärs als freundlichen Opa im Gewand einer Comic-Figur an, die überall zu sehen war: auf Plakaten und auf TikTok. Prabowo tanzte ähnlich steif wie Trump bei seinen Auftritten, aber er lächelte viel – und in Indonesien haben alte Männer mit mächtigen Freunden noch viel Einfluss.

Indonesier erhoffen sich von seiner Amtszeit vor allem mehr Wohlstand. In den letzten Jahren boomte die Volkswirtschaft, Prabowo will sein Land weiter auf diesem Wachstumskurs führen und das mit großem Selbstbewusstsein: „Wir brauchen Europa nicht mehr.“ Der Westen reagiert geschockt, dabei wäre es auch seltsam, wenn das Land auf Europa angewiesen wäre – vor allem, da Europa in den vergangenen vier Jahrhunderten den Inselstaat vor allem ausgebeutet hat.

Indonesien will endlich selbst an seinen Rohstoffen verdienen. Beispiel Stahlindustrie: Indonesien hat noch vor sechs Jahren kaum Stahl produziert, nun exportiert es ihn im Wert von rund 20 Milliarden US-Dollar, nach Investitionen, die zum Großteil aus China stammen. Auch bei Nickel ist Indonesien seit Jokowi streng, und das wird unter Prabowo weitergehen: Zugang gibt es nur für Länder, die investieren, und China hat schon jetzt viele Lieferketten aufgebaut.

Die Frage wird daher auf lange Sicht eher: Brauchen wir besseren Zugang zu Indonesien? Jahrzehntelang gab es enge Verbindungen: Helmut Kohl war mit dem ehemaligen Präsidenten Suharto so eng, dass die größte Moschee Jakartas einen deutschen Architekten hat und der Kanzler zur Eröffnung kam. Über die Jahre ist der deutsch-indonesische Dialog etwas eingeschlafen. Dabei hat die deutsche Botschaft die begehrteste Adresse der Hauptstadt: Jalan Thamrin Nummer 1.

Doch die Botschaftsadressen werden sich bald ändern, wenn Indonesien seine neue Hauptstadt auf Borneo öffnet. Dort ist es klimatisch milder und die Erdbebengefahr ist geringer. Derzeit ist die Retortenstadt „Nusantara“ (wörtlich: Archipel) noch im Bau, die ersten Ministerien sollen in diesem Jahr umziehen. Deutschlands Stellung im „Archipel“ und in ganz Asien wird sich dort gut ablesen lassen.