Trostfrauenstatue in Moabit: Warum das Bezirksamt sie abbauen will

Trostfrauenstatue (Kittel)

Am Unionsplatz in Moabit sitzt eine junge Frau aus Bronze und schaut ernst in Richtung Ringbahn, bei Tag und Nacht, ihre Hände zu Fäusten geballt, auf ihrer Schulter ein Vogel. Die Statue sitzt auf einem Stuhl als warte sie auf etwas. Ihre nackten Füße sind von Blumensträußen bedeckt, einige sind verwelkt, andere ganz frisch.

Der zweite Stuhl ist Teil des Denkmals, er ist frei, lädt jeden ein, sich hinzusetzen. Ein Text neben dieser Statue erzählt von dem Martyrium von rund 200.000 „Trostfrauen“ in Südkorea während des Zweiten Weltkriegs, die unter japanischer Besatzung sexuell missbraucht wurden. Erst im Jahr 1991 brach eine dieser sogenannten Trostfrauen ihr Schweigen. Japan hatte zuvor das Thema weitestgehend verschwiegen und abgewiegelt. Und auch danach dauerte es bis zum Jahr 2015, bis Korea und Japan sich auf eine Zahlung für die Trostfrauen einigten, um das Thema zu beenden.

Doch Nataly Jung-Hwa Han gehört zu denen, die diese Einigung nicht akzeptieren wollen. Han, Vorstandsmitglied des Korea-Verbands, steht am Dienstagvormittag vor der Statue. „Diese Einigung haben die beiden Regierungen unterschrieben, ohne die Betroffenen einzubeziehen“, sagt sie wütend. Der Korea-Verein hat deshalb mit koreanischen Spenden damit begonnen, in verschiedenen Städten in Europa Kopien der Original-Statue aufzustellen. Sie nennen sie „Friedensstatue“.

Das Original steht seit 2011 in Seoul, direkt vor der japanischen Botschaft – und sorgt seitdem für alles andere als eine Befriedung. Danach folgten die ersten Kopien in Australien, Nordamerika und Kanada, wo sie zum Teil noch immer stehen. Seit 2020 steht eine in Berlin-Moabit und führt dazu, dass Japan immer wieder diplomatische Wege bemüht, die Statue zu entfernen. Als der Regierende Bürgermeister Kai Wegner neulich auf Besuch in Japan war, verkündete er anschließend in einer Pressemitteilung, das Problem mit der Statue „lösen“ zu wollen.

Nataly Jung-Hwa Han will, dass die Statue eine dauerhafte Genehmigung für den Standort an der Bremer Straße bekommt. „Diese Statue ist wie der CSD oder Black Lives Matter“, sagt sie, „eine Bewegung aus der Bevölkerung!“ Sie spricht von Schulklassen, die sich in Berlin mit diesem Thema auseinandersetzen und die Statue dann besuchen. Die Deutsch-Koreanerin weiß, dass Holocaust-Vergleiche in Deutschland schwierig seien, sagt aber: „Japan ist wie Deutschland ein Tätervolk und muss auch im Ausland an seine Taten erinnert werden, auch wenn es ihnen nicht passt.“

Wegners Sprecherin Christine Richter bezeichnet in einer Stellungnahme gegenüber der Berliner Zeitung die „Trostfrauen-Skulptur“ als „lediglich geduldet“. Das Land Berlin teile die Einschätzung des Auswärtigen Amtes, dass der japanisch-koreanische Konflikt um die Trostfrauen-Frage seit 2015 endgültig gelöst sei. Zuständig sei letztlich das Bezirksamt Mitte. Dessen Sprecher nennt die Statue ein „Kunstwerk, welches ohne Wettbewerbsverfahren im öffentlichen Raum aufgestellt wurde“. Das könnte nur temporär möglich sein. „Für jede dauerhafte Nutzung braucht es einen Wettbewerb, da könne das Amt keine Ausnahme machen.“

Am Dienstag gegen zwölf Uhr steht plötzlich Martha Kleedörfer vor der Friedensstatue. Kleedörfer sitzt für die Linke im Bezirksverband Mitte. Für sie ist die Statue ein wichtiger Ort für die Aufarbeitung von Gewalt an Frauen in Kriegen weltweit und speziell im Pazifikkrieg. „Da die Aufarbeitung in Japan nicht stattfindet, finde ich es richtig, wenn es hier mit innovativen Möglichkeiten versucht wird.“

Was die Politikerin „innovative Möglichkeiten“ nennt, ist auch eine Art von Guerilla-Erinnerungskultur: Die Statue wurde mit ähnlichen kurzen Genehmigungen in Dresden, Frankfurt und Kassel aufgebaut. In Kassel und Dresden wurde sie nach wenigen Monaten wieder abgebaut. In solchen Momenten stellt sich Nataly Han dann vor ein Mikrofon und spricht laut von „Heuchelei“ und „Machtmissbrauch“.

In Berlin, das mit Tokio eine Städtepartnerschaft teilt, wurde diese Statue nun auf öffentlichem Grund aufgestellt, durchaus in dem Wissen, dass Japan das nicht gefallen wird. Als die Duldung durch das Bezirksamt dann auslief, versuchte der Korea-Verband über Unterschriften und Lobbyarbeit, den Erhalt der Statue durchzusetzen.

Der Senat schlägt nun einen Kompromiss vor, ein neues Denkmal soll an die Stelle der sogenannten Friedensstatue kommen. „Das jetzige Mahnmal hat nur die japanische Besetzung Koreas im Zweiten Weltkrieg zum Gegenstand“, sagt Senatssprecherin Richter und schlägt „ein übergeordnetes Denkmal“ vor, „das sich allgemein dem Thema sexualisierte Gewalt gegen Frauen in kriegerischen Auseinandersetzungen widmet“. Der Senat begrüße die zeitnahe Errichtung eines solchen Mahnmals sehr.

Die derzeitige Genehmigung läuft am 28. September aus, bis dahin werde das Straßen- und Grünflächenamt den Korea-Verband zum Abbau auffordern. Am 19. September wollen die Statuenverteidiger vor dem Bezirksamt in Mitte demonstrieren. Bereits überreicht haben sie eine Unterschriftensammlung, unterzeichnet von 3000 Anwohnern, die sich für diese Statue einsetzen. Im Internet läuft unter Change.org eine Petition mit aktuell 39.396 Stimmen für den Erhalt.

Am Dienstag läuft auch Susanne N. an der Statue vorbei. Die 63-jährige gebürtige Berlinerin ist gerade hier im Kiez zu Besuch, kennt die Statue aus ihrer Heimat Australien. Dort stand sie in einem Vorort von Sydney, in Strathfield. Es kam zur Abstimmung der Anwohner und die Statue musste letztlich abgebaut werden. Hier in Moabit sei Susanne N. für den Verbleib der Skulptur. Sie sagt: „Aber es geht ja hier nicht um Empathie, letztlich geht es auch hier um Geld.“