Daniel Hope, Porträt

Reto Klar / Funke

Wer Daniel Hope trifft, muss wissen, dass er an Karma glaubt, also an jenes 2600 Jahre alte, indische Lebenskonzept, das besagt, dass jede Handlung, jeder Satz und letztlich jeder Gedanke immer eine Folge hat. Diese Konsequenz muss nicht unmittelbar folgen, sondern kann Jahre oder sogar Jahrhunderte später eintreten. Selbst in deutschen Kinderbüchern taucht Karma auf: Wenn ein Held im Märchen einer Ratte das Leben rettet und genau diese Ratte den Helden später vor dem Tod bewahrt.

Daniel Hope ging als Zehnjähriger zum Konzert eines berühmten Musikers. Er fuhr allein durch London, suchte sich im Saal einen Platz und hörte die fantastische Musik. Danach stellte sich er in die Schlange für ein Autogramm. Es waren sehr viele Menschen, sie drängelten – und als Daniel Hope schließlich vor dem Künstler stand und ihm eine Schallplatte zum Signieren reichte, sagte dieser nur genervt: „Ich habe keine Zeit“ und schloss die Tür vor ihm.

Obwohl das alles mehr als 30 Jahre her ist, kann Daniel Hope diese Szene großer Verehrung und Enttäuschung so erzählen, dass die Gefühle noch einmal da sind, hier in Berlin, im Regen, auf der Kantstraße. „Ich sehe es noch vor mir“, sagt er, „ich habe weinend in der U-Bahn gesessen, ich hatte meinen Glauben an ein Vorbild verloren.“ Er hat inzwischen diesen Musiker häufiger getroffen, sein Name spiele hier keine Rolle, aber er sei für viele noch immer ein Weltstar. „Wir haben noch nie zusammen gespielt. Und werden es auch in Zukunft gewiss nicht tun.“

Daniel Hope ist mittlerweile einer der größten Violinisten der Welt. Geboren in Südafrika, in London aufgewachsen, später nach Paris, Wien und Amsterdam gezogen – und dabei immer wieder Alben aufgenommen, bekannte Hits wie Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ oder Mendelssohns Violinkonzerte. Aber er entdeckte auch die zeitgenössischen Werke des Deutsch-Russen Alfred Schnittke. Seit fast 14 Jahren ist er Künstlerischer Leiter des Savannah Music Festivals, seit 2016 außerdem Musikdirektor des Zürcher Kammerorchesters. Erst diesen September wurde er noch beim Kammerorchester in San Francisco beschäftigt – und ist gerade auch zum Künstlerischen Leiter der Dresdner Frauenkirche ernannt worden.

Man kann sagen, der Mann kommt viel rum, und so ist es kein Wunder, dass er erst eine Stunde vor unserem Treffen am „Schwarzen Café“ in Tegel gelandet ist. „Ich hatte einen Auftritt in Genf“, sagt er, dieser Abend sei wieder einer der sehr besonderen Art gewesen. „In der ersten Reihe saß eine Dame in meinem Alter – im Rollstuhl“, sagt der 44-Jährige, „sie war schwerbehindert und machte Geräusche beim Atmen, wie ein lautes Stöhnen. Das Konzert ging also brisant los.“ Nicht alle Gäste konnten die Dame sehen und fühlten sich unwillkürlich von den Geräuschen gestört. „Aber so ist das manchmal: Wir konnten nicht anders als spielen, sie konnte nicht anders als geräuschvoll zuhören – man muss damit umgehen. Auch sie hat, wie jeder andere, ein Recht darauf, Musik zu hören.“