Ein gutes Jahr reist Sören Kittel durch Südkorea. Das Ergebnis ist der 2016 erschienene Reisebericht „An guten Tagen siehst du den Norden“, der zu den aktuellsten deutschsprachigen Büchern über Korea gehört. Ein Gespräch über „Han“, das Verständnis des Fremden und koreanisches Machertum.
Herr Kittel: Warum ein Buch über Korea?
Ich bin zum Glück angesprochen worden, ob ich das Buch machen will. Ich war zunächst mit dem Stipendium der Internationalen Journalisten-Programme hier, die jedes Jahr vier Journalisten nach Asien schicken und vier aus Asien empfangen. Ich entschied mich dann für Korea und hatte gegen Ende der Zeit noch einmal die Gelegenheit, nach Nordkorea zu kommen. Als Ergebnis habe ich dann ein Dossier für die „Welt“ geschrieben, für das ich den Meridian-Journalistenpreis für Reisejournalisten bekam. Und dann rief mich der DuMont-Verlag an, ob ich nicht ein Buch machen will.
In Ihrem Buch zieht sich das Konzept des „Han“ wie ein roter Faden durch das Buch. „Eine Form der universellen Traurigkeit, die sich nie auflöst“, so wird es beschrieben. Was war der Anlass dafür?
Gin, ein koreanischer Freund von mir, der inzwischen verstorben ist, erzählte mir als Erstes von diesem unübersetzbaren Begriff. Wenn ich die Menschen heute, zwei Jahre später, auf „Han“ anspreche, sagen mir viele, dass das eine Sache der Vergangenheit ist. Das gebe es nicht mehr so richtig. Aber damals hatten die Menschen alle etwas, das sie damit verbanden. Ich war auch privat in einer traurigen Stimmung, undeine solche Stimmung fällt in Korea einfach auf einen Resonanzboden. Das ist ein Gefühl, das man nicht wegdiskutieren kann. Ich lernte zum Beispiel eine Frau kennen, die mich mit dem Auto mitnahm und mir plötzlich ihr Herz ausschüttete. Sagt, dass sie ihren Mann schon seit Jahren nicht mehr liebe und nur noch wegen der Kinder da sei. „Und wie heißt das bei euch, YOLO? Youonly live once?” Dieses Konzept, dass man manche Dinge einfach mal machen muss, weil man eben nur einmal lebt, das kannte sie nicht. Das hat mich berührt, und deswegen dachte ich, „Han“ könnte eine Art Leitmotiv für das Buch werden.
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