Berlin – Moni Zhang hat als Treffpunkt ein Café in Friedrichshain ausgesucht, das etwas von einer gemütlichen Hippie-Höhle hat: Kerzen, Kachelofen, Möbel aus zweiter Hand. Alles wie in den 90ern, nur mit WLAN. Mitarbeiter müssen erst ihr Gespräch beenden, bevor sie eine Bestellung aufnehmen und kontrollieren irgendwann etwas nachlässig die Corona-Nachweise. Überall liegt irgendetwas rum. An jedem Tisch sitzen zwischen 20 und 30 Menschen, die an Projekten arbeiten oder sich an ihre Tassen klammern.
„Ich bin hier gern“, sagt Moni Zhang über diesen Ort und kuschelt sich in ihr Nest aus Pullover, Jacke und Schal, das sie sich auf der Couch aufgebaut hat. „Es repräsentiert, warum mir Berlin so gut tut.“ Zhang kommt recht schnell und offen auf ihre Depression zu sprechen. „Ich habe meinen Frieden mit meinen Problemen gemacht.“ Sie sei inzwischen von ihrem Psychologen „graduiert“ – auch wenn das klinge, als sei es ein Kurs, den man auf der Universität des Lebens abschließen muss. „Aber so ist das auch mit geistiger Gesundheit“, sagt sie. „Sich damit auseinanderzusetzen, wird für mich immer eine Reise sein.“
Zuschauer können jetzt an dieser Reise teilnehmen. Am 28. Januar hat Moni Zhangs neues englisches Programm „Child from Wuhan“ Premiere im Friedrichshainer Comedy Club „The Wall“, und sie wird es dann immer wieder in Berlin aufführen. Es wird ein ernstes Programm, das das Publikum gleichzeitig zum Lachen bringen soll. Bei Testdurchläufen haben Leute geweint und sind anschließend zu ihr gekommen, um von sich zu erzählen. Ihr Programm, das sei wie eine Therapie, sagt sie.
Es handelt grob: von ihr. Wie sie als Chinesin nach Europa kam, um in Rotterdam einen Abschluss in Buchhaltung zu machen. Wie sie dann eher durch Zufall nach Berlin zog und erst hier auf die Idee kam, Stand-up-Comedian zu werden. Sie wird auch davon erzählen, wie sie den ersten Preis in einem Berliner Newcomer-Wettbewerb gewann, als sie noch nicht einmal ein Jahr dabei war. Sie wird auch von ihrer Depression reden, von ihrer schwierigen Beziehung zu ihrer Mutter und sicherlich auch von ihrer Katze, die Panda heißt.
Doch eines macht sie klar: Obwohl sie aus Wuhan stammt und auch ihr Programm nach der Stadt benannt hat, spricht Moni Zhang kaum über China. Einer ihrer wenigen Auftritte vom Jahr 2020 in Berlin ist noch immer im Internet zu sehen. Er beginnt mit dem Satz: „Ich komme aus einer Stadt, die zwar 14 Millionen Einwohner hat, aber bisher…“, sie hustet demonstrativ ins Mikrofon, „niemand kannte.“ Das Lachen im Publikum klingt ein wenig schüchtern, es war Anfang 2020, es gab noch nicht viele Witze über Corona. Zhang sagt weiter: „Mein Land ist mit der Krise sehr gut umgegangen.“ Sie macht eine lange Pause und sagt: „Mehr werde ich dazu nicht sagen, es sei denn, ich bekomme einen deutschen Pass.“
Auch im Gespräch im Café möchte sie nicht über China reden. Sie sei nicht Ai Weiwei, der alle Brücken zu seiner Heimat abgebrochen hat. „Ich komme auch nicht aus einem reichen Elternhaus, wie viele meiner chinesischen Freunde in Europa oder aus der Schulzeit.“ Diese könnten noch immer nicht verstehen, warum sie nicht längst eine Wohnung in Deutschland gekauft habe. „Das machen doch jetzt alle, sagen diese Freunde.“ Sie sei stattdessen schon froh, wenn sie eine Wohnung in Friedrichshain gefunden hat, die unter 1000 Euro im Monat kostet, auch wenn sie keine Küche hat.
Moni Zhang wurde inspiriert zu ihrer Karriere von Besuchen in Comedy Clubs in Berlin. Noch vor zehn Jahren fand vielleicht ein englischer Abend statt. Inzwischen gibt es vier englischsprachige Clubs, die Stand-up vor allem auf Englisch anbieten. Die Menschen auf der Bühne erzählen von ihrem Leben mit der Ausländerbehörde, von Dinner-Abenden mit Deutschen. Das Leben in Berlin bietet viele lustige Angriffsstellen. Im Publikum sitzen viele Deutsche, aber auch ein Mix aus anderen Ländern. Ihr gefalle das.
„Berlin ist perfekt für Leute wie mich“, sagt sie. „Ich kann hier sehr viel ausprobieren, ohne einen großen Druck.“ Die meisten Witze müsse man eben vor Publikum ausprobieren, um zu sehen, ob sie funktionieren. „In New York oder London würde ich niemals so viel Bühnenzeit bekommen.“ Dort müsse man auch Geld bezahlen, um auf die Bühne zu gelangen. „In Berlin ist das Publikum ehrlich, aber nicht unhöflich“, sagt sie, „und sie haben kein Problem damit, dass sich jemand über sie lustig macht.“
Sie wolle dieses Jahr mindestens 31 Auftritte bestreiten. Nur so könne sie besser werden. Dabei hilft hier, dass sie mitten in der Pandemie ein eigenes Festival gegründet hat: Das Berlin Mental Health Festival (BMHF). Es fand im Jahr 2021 zum ersten Mal statt und ließ Künstler, Comedians und Psychologen zusammenkommen – und über ihre Erfahrungen reden. Die Non-Profit-Organisation spendet alle Überschüsse an die Depressionshilfe. Es geht vor allem darum, Aufmerksamkeit auf psychische Probleme zu lenken.
„Es ist bisher immer noch ein Tabu, über geistige Gesundheit zu sprechen“, sagt Zhang. Das sei natürlich nicht immer leicht und am Anfang fühlt es sich auch noch etwas ungewohnt an. „Aber das ist sowieso ein Klischee, dass Comedians immer selbstsichere Menschen seien“, sagt sie. „Die meisten sind wie ich eher zurückhalten und benutzen die Stand-up wie eine Rüstung, wie eine Rolle, in der sie alles einmal aussprechen können.“ Das öffne manchmal alte Wunden, aber sie bekomme eben auch viel zurück.
Sie hat deshalb auch einen Podcast gestartet und spricht dort einmal wöchentlich mit anderen Comedians über deren psychische Probleme. In den bisherigen 25 Folgen von „It’s Mental“ berichtet unter anderem der ostdeutsche Comedian Richard Schäfer von seiner Pornosucht. Die Sängerin Lucy Straathof erzählt von ihrem Burnout. Andere berichten von Selbstmordgedanken, Anti-Depressiva, Drogen, Alkohol und wie sie es aus ihrem Loch herausgeschafft haben – oftmals mit Hilfe der Bühne und der Zuhörer.
„Comedy hat mir soviel gegeben in meinem Leben“, sagt Moni Zhang. Berlin habe ihr die Möglichkeit geboten, das auszudrücken. „Mein Therapeut ist Chinese“, erzählt sie und fragt: „Wo kann man das so leicht finden in der Welt?“ Trotzdem möchte sie als nächstes gern Deutsch lernen. Ihr Ziel ist es, bis Ende des Jahres auf dem Niveau B2 angelangt zu sein. „Mein Akzent wird bleiben“, sagt sie, „aber der ist doch ganz hübsch, nein?“