Berlin – Am Mittwoch, nur Stunden vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine, hat die Redaktion der Berliner Zeitung am Wochenende die Kollegen der Jungen Welt (JW) zu einer Art „Gesinnungstest“ gebeten. Anhand bestimmter Begriffe und Schlagworte sollte so die Einstellung der Redaktion zu Dingen wie Kapitalismus und Klimawandel herausgearbeitet werden, aber auch zu den Präsidenten Putin und Maduro. Hier im Text finden sich Auszüge aus diesem Gespräch mit den drei Mitarbeitern Stefan Huth (Chefredakteur), Dietmar Koschmieder (Geschäftsführer) und Peter Borak (dessen Stellvertreter). Das Gespräch dauerte rund zwei Stunden. Es drehte sich um Europa, Geopolitik, Wirtschaftstheorie – und, ab wann ein Text als verfassungsfeindlich eingeordnet werden kann.
Klimawandel? Huth: „Der Kampf gegen die Umweltzerstörung hat mich in den 1980er-Jahren politisiert.“ Protest mit festgeklebten Händen? Huth: „Wenn man sich selbst körperlich schädigt, kann das keine gute Protestform sein.“ Wiedervereinigung? „Sie meinen den Anschluss der DDR?“ Huth lächelt und fragt, was denn damals wiedervereinigt worden sei? Er sagt, dass die Redaktion das Wort nicht benutze, es gebe für sowas eine informelle Liste. Weitere Begriffe darauf seien: internationale Gemeinschaft, innerdeutsche Grenze („Es waren zwei Staaten“) und: Arbeitgeber. „Man müsste von Arbeitskraftaneigner sprechen, das drückt doch eher aus, was wirklich passiert. Bei uns ist die Rede von Unternehmern oder eben von Ausbeutern.“
Huth, Koschmieder und Borak sitzen nebeneinander im sechsten Stock in den Redaktionsräumen ihrer Zeitung, an den Bürowänden hängen eine Mini-Flagge von Kuba, ein russischer Wimpel und ein Aufkleber mit Hammer, Sichel sowie arabischen Schriftzeichen. Am Fenster steht eine hölzerne Statue, die Peter Borak von Zuhause mitgebracht hat: Es ist der russische Soldat vom sowjetischen Ehrendenkmal im Treptower Park. Er ist aus Holz und trägt ein Kind im Arm. Daneben steht das Leipziger Messemännchen: der Kopf eine Weltkugel, im Mund eine Pfeife. Wer ostdeutsche Wurzeln hat, findet viele Bekannte hier im Büro.
Vor den Redakteuren auf dem Tisch liegt die aktuelle Junge-Welt-Ausgabe vom Mittwoch, auf deren Titel stehen drei rätselhafte Wörter, die man auch nach längerem Anschauen nicht ganz versteht: „Putin erzwingt Frieden“. Huth und seine Kollegen wollen über die Ausrichtung ihrer Zeitung sprechen, weil sie sich falsch verstanden fühlen. Seit 24 Jahren werden sie vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Bundesbehörde schreibt dort jedes Jahr, das Blatt sei ein „bedeutendes Printmedium im linksextremistischen Bereich“. Die Zeitung pflege eine „traditionskommunistische Ausrichtung“ und wolle eine „sozialistische Gesellschaft errichten“. Gewalt gelte in den Texten der JW als anerkanntes Mittel gegen Kapitalismus und Imperialismus. So der Vorwurf und so die Gründe für die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Die putinfreundliche Ausrichtung wird nicht helfen. Jetzt erst recht nicht.
Trotzdem. Die Macher der Zeitung sehen sich schikaniert. Die Redaktion habe das viel zu lange ertragen, sagt Geschäftsführer Koschmieder. „Früher hatten wir weder Kraft, Zeit noch Mittel, dagegen juristisch vorzugehen“, sagt er, „wir kämpften schlicht um unser Überleben.“ Aber inzwischen sei die verkaufte Auflage recht stabil, sie liege an manchen Tagen bei über 24.000 Exemplaren. „Aber weil wir die einzige Tageszeitung sind, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, entstehen uns eine Reihe von Nachteilen, die mittlerweile unsere Existenz bedrohen.“ So dürfe man an deutschen Bahnhöfen nicht auf Großplakaten werben, Druckereien oder Bildagenturen verweigern die Zusammenarbeit, Autoren oder Interviewpartner wollen nicht in der Zeitung abgedruckt werden – immer mit Hinweis auf die Nennung im Verfassungsschutzbericht. „Erst diese Woche wurde uns die Werbung für eine Probeabokampagne im öffentlichen Nahverkehr unter anderem von Hamburg, Köln, Leipzig verweigert.“
In nächster Zeit entscheidet das Berliner Verwaltungsgericht über den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die zumindest die aktuelle Beobachtung aus dem Verfassungsschutzbericht nehmen könnte. Derzeit ist noch völlig offen, wie das Gericht entscheidet. Folgt es aber den Anwälten der JW, dann stünden der Zeitung wieder Werbekunden zur Verfügung, die mit dem Verweis auf die „Verfassungsfeindlichkeit“ bisher vor einer Zusammenarbeit zurückgeschreckt sind. In Zeiten steigender Papierpreise und dem generellen Rückgang von Zeitungsauflagen wäre das eine sehr gute Nachricht für die Redaktion.
Die JW eröffnete den Kampf gegen den Verfassungsschutz mit einem Offenen Brief, den die Redaktion im März 2021 an alle Bundestagsfraktionen schickte. Als Reaktion darauf stellte Die Linke kurz darauf eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung. Sie wolle die Gründe erfahren, die eine geheimdienstliche Beobachtung der Zeitung nötig machen. Die schließe immerhin auch telefonische Überwachung und sonstige erkennungsdienstliche Mittel ein. Die Antwort der Bundesregierung liegt der Berliner Zeitung am Wochenende vor. Das Bild, das die Vielzahl der aufgeführten Beispiele zeichnet, lässt jedoch vor allem den Verdacht aufkommen, dass der Redaktion etwas Verfassungsgefährdendes nachgesagt werden soll, um ihre Beobachtung weiter aufrechthalten zu können. Der erste Eindruck: Die JW-Texte mögen eine extrem streitbare Haltung zeigen. Doch eine staatsgefährdende Tendenz lassen sich aus den erwähnten Beispiele nicht herauslesen.
So wurde in einem Text am 2. März 2020 über einen Parteitag der DKP berichtet und in dem Zusammenhang aus einer Rede zitiert: „Kapitalismus ist Gewalt – er zerstört Menschlichkeit, er ist Gewalt.“ Laut der Akte gehe es in diesem Text nicht nur um die Berichterstattung, sondern auch darum, den Thesen des Politikers „ein Forum zu bieten“. Das allerdings tun alle Texte über Parteitage. Auch folgendes Zitat aus demselben Text ist dem Verfassungsschutz einen Eintrag wert: „Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“ Man mag dem vielleicht nicht zustimmen, aber bildet dieser Satz eine ernsthafte Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung? Will die Tageszeitung das Grundgesetz abschaffen? Mitnichten.
Der Verfassungsschützer zitieren immer wieder Stellen, die beweisen sollen, dass die JW den „Kapitalismus überwinden“ wolle. Dafür durchforsteten sie das Archiv der Tageszeitung und stellten Beispiele aus dem Jahr 2005 direkt neben Artikel von 2020. Sie markieren Texte, in denen Autoren das „System in Frage stellen“. Diese kurzen Passagen sind häufig aus dem Zusammenhang gerissen, und es findet sich in ihnen nichts, was der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands widerspricht, womöglich aber der politischen Haltung des Verfassungsschutzes.
Auch in unserem kurzen „Gesinnungsgespräch“ benutzen die drei Redakteure regelmäßig solche Begriffe. Klassengesellschaft? Borak: „Selbst linker Positionen unverdächtige Personen wie der Großinvestor Warren Buffett sprechen davon, dass es einen Krieg der Klassen gibt.“ Huth: „Das ist eine legitime Kategorie, mit der man Wirklichkeit beschreibt, der Begriff kommt genauso im bürgerlichen Wissenschaftsbetrieb vor, und daran stört sich niemand.“ Marxismus? Koschmieder: „Unsere Zeitung ist marxistisch orientiert, weil wir davon ausgehen, dass alle gesellschaftlichen Sphären von sich widersprechenden Klasseninteressen geprägt sind. Auch bürgerliche Wirtschaftswissenschaftler haben übrigens ihren Marx gelesen.“ Kapitalismus? Huth: „Ein vorübergehendes Stadium.“ Borak: „Nicht das Ende der Geschichte.“ Koschmieder: „Wir gehen davon aus, dass der Kapitalismus in seiner absteigenden Phase zur verschärften Ausbeutung führt und nur den Interessen weniger Menschen nützt. “
Aus dem Jahr 2009 zitiert der Verfassungsschutz diese Passage: „Jetzt Waffen und Kriegsgerät zerstören: Das kann jeder und sollte sogar jeder vernünftige Mensch machen.“ Und weiter: „Um menschenverachtendes Kriegsgerät unbrauchbar zu machen, haben wir es einfach angezündet.“ Was sich als martialischer Aufruf zur Gewalt lesen könnte, ist allerdings ein Zitat, das in der Rubrik „Abgeschrieben“ auftaucht. Eine kurze Google-Recherche zeigt, dass diese Sätze aus einem Bekennerschreiben stammen und wortgleich vom Münchner Merkur, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Sächsischen Zeitung und dem Focus zitiert wurden. Außerdem ist die Rubrik „Abgeschrieben“ schon kraft ihres Titels ein Ort, an dem andere Medien zitiert werden. Diese Rubrik taucht häufig in den Argumenten der Verfassungsschützer auf.
Der Verfassungsrechtler Benjamin Rusteberg ist von den Argumenten für die Überwachung der JW nicht überzeugt: „Eine kapitalismuskritische oder ablehnende Sichtweise ist nicht per se verfassungsfeindlich“, sagt er der Berliner Zeitung am Wochenende. „Der Kapitalismus ist kein Teil der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.“ Welches Wirtschaftssystem Deutschland habe, sei im Grundgesetz bewusst offen gelassen worden. „Das vergisst der Verfassungsschutz vielleicht manchmal.“ Es sei nicht dessen Aufgabe, bloße Meinungen zu überwachen. „Was die Beamten bräuchten, wären klare Beweise, dass die Redaktion der JW sich aktiv gegen unser Grundgesetz wendet.“ Man müsse also belegen, dass die Junge Welt eine Art zweite DDR errichten, mithin das bestehende System stürzen wolle. Das verneint die Redaktion der Jungen Welt. Auch die Belege des Verfassungsschutzes lassen so eine Schlussfolgerung nicht zu.
Die JW veröffentlicht immer wieder Texte, die in anderen Zeitungen so sicherlich nie stehen würden. Selbst in Filmkritiken zu Berlinale-Filmen schreiben die Autoren vom Klassenkampf, bei Berichterstattung über Sportereignisse wie Olympia gibt es Verweise auf Chinas Politik oder frühere DDR-Erfolge. Manchmal ist es, gerade in dieser Woche, auch schwer erträglich, immer wieder die Sicht des Kremls, jene von russischen Kommunisten oder schlicht die Wortwahl eines Wladimir Putin auf den Seiten der JW wiederzufinden. Beispiele: Die Spannungen in der Ukraine seien „vom Westen angeheizt“, der amerikanische Geheimdienst CIA sei schuld an der Eskalation. Am Freitag veröffentlichte die Zeitung einen Text über den russischen Angriff, der schon im ersten Satz die Leser subtil auf die russische Seite zieht: „Der Vormarsch russischer Truppen auf die ukrainische Hauptstadt Kiew verläuft offenbar mühsamer als erwartet.“
Auch druckte die Zeitung in dieser Woche einen Text über Slobodan Milosevic unter der Überschrift „Unbequemer Sündenbock“. Ein Porträt, das all seine Kriegsverbrechen außen vor lässt. Und immer wieder sind auch Interviews mit ehemaligen RAF-Mitgliedern erschienen – was allerdings auch andere Zeitungen getan haben, ohne deswegen vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden. Ist das Wort „Aufstandsversuch“ für die Taten der RAF schon eine Verharmlosung? Anfang dieser Woche war sogar die komplette Rede Wladimir Putins über die Ukraine auf zwei Doppelseiten in der JW abgedruckt. Doch auch das haben andere Medien (Tagesspiegel Online, Deutschlandfunk, Berliner Zeitung Online) getan – zur Dokumentation. Reicht das aus, um, wie es der Verfassungsschutz tut, Dossiers über einzelne Autoren der Zeitung anzulegen und in diesen Kurzbiografien die Mitgliedschaft in der DKP als verfassungsfeindlich auszulegen? Eine „linksextreme Gesinnung“ lässt sich so jedenfalls nicht belegen.
Der Rechtswissenschaftler Benjamin Rusteberg erklärt zum Thema RAF, dass jede Zeitung ihre Gesprächspartner selbst aussuchen könne. „Sie haben ihre Haft verbüßt und können sich äußern, wenn sie das wollen.“ Die Junge Welt müsse schon eine zweite DDR herbeischreiben wollen, um als verfassungsfeindlich zu gelten, sagt er. „Die Meinung der Bundesregierung kann kein Maßstab sein für die Autoren einer Zeitung.“ Es komme schließlich auch zu Menschenrechtsverletzungen in Ländern, mit denen die Bundesregierung eng zusammenarbeite. Sein Fazit: „Ich sehe nicht, dass die Argumente ausreichen, um eine Beobachtung zu rechtfertigen.“
Für die tägliche Arbeit jedenfalls habe die Beobachtung schon seit langem Konsequenzen, sagt Chefredakteur Stefan Huth. „Eine Schere im Kopf gibt es auf jeden Fall. Ich frage mich immer wieder, ob eine bestimmte Zeile, ein bestimmter Satz vom Amt als Argument gegen uns angeführt werden könnte. Und mitunter natürlich auch, ob er einer medial formierten Öffentlichkeit zuzumuten ist.“ Als ehemaliger Studienrat kenne er das „Zwangssystem“, wie er es nennt, auch von der anderen Seite. „Aber ich bin zur JW gekommen, weil ich hier mein politisches Denken unzensiert entfalten kann.“ Der Arbeitsdruck sei für alle hoch, die Bezahlung eher schlecht, deshalb gehe es ihm dann besonders nahe, wenn er sehen muss, wie Beamte versuchen, ihn als Verfassungsfeind zu diskreditieren. „Manchmal höre ich das berühmte Knacken in der Leitung“, sagt Huth, „mal belauscht jemand in der Kneipe am Nachbartisch ein Gespräch.“ Aber er wolle auch keine Paranoia entwickeln.
Das Bundesverfassungsgericht ist auf der Seite der Jungen Welt
Ein weiterer, immer wieder auftauchender Vorwurf der Verfassungsschützer sind die „häufigen positiven Bezugnahmen auf kommunistische Vordenker“: Liebknecht, Luxemburg, Marx, Engels, Lenin. Die Zeitung nutzte diesen Vorwurf humorvoll und baute in eine Werbekampagne ein Bild von Karl Marx ein, der über seinen Augen einen roten Balken trägt mit dem Wort „Verfassungsfeind?“ Darunter rief die Redaktion dazu auf, die JW zu abonnieren. Der Slogan war: „1000 Abos für die Pressefreiheit.“ Laut Geschäftsführer Koschmieder war die Aktion sehr erfolgreich und konnte dieses Ziel schon nach wenigen Wochen erreichen.
Ein Punkt, der für die JW-Redaktion spricht, ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Jahr 2005: Die Richter nennen die Eintragung eines Presseorgans im Bundesverfassungsschutzbericht als „mittelbar belastende negative Sanktion“ und werten dies klar als einen Eingriff in die Pressefreiheit. So schränke das Abhören von Telefonen massiv den Quellenschutz ein und gefährde die Institution Presse. In dem Urteil bezogen sich die Richter auf die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit. Sie stellten außerdem ausdrücklich fest, dass selbst eine „Kritik an der Verfassung und ihren wesentlichen Elementen ebenso erlaubt ist wie die Äußerung der Forderung, tragende Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu ändern“. Kurz gesagt: Eine Demokratie müsse aushalten, dass über ihre Grundfesten öffentlich diskutiert werde.
Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) muss sich derzeit aus genau diesem Grund ebenfalls wehren: Ihr wird vorgeworfen, vor einem Jahr einen Text in einer Zeitschrift „Antifa“ der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ veröffentlicht zu haben. Die Vereinigung wird vom bayerischen Verfassungsschutz als „bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus“ bezeichnet. In dem Text ging es um rechtsextreme Drohbriefe. Die Ministerin würde ihn wohl heute „nicht mehr so schreiben“, dabei geht es nicht um den Inhalt sondern den Ort der Veröffentlichung. Sie wollte sich zu dem Verfahren und dem der JW aber nicht äußern. Übrigens genauso wenig wie der Verfassungsschutz, den die Berliner Zeitung am Wochenende ebenfalls kontaktierte.
Genau dieser Ansicht ist auch die Vorsitzende der Linken, Janine Wissler. „Im Grundgesetz ist keine Wirtschaftsordnung festgeschrieben“, sagt sie der Berliner Zeitung am Wochenende. Das Grundgesetz lasse das offen. „Ich halte es für absurd, dass die Junge Welt als verfassungsfeindlich eingestuft wird, weil sie marxistisch orientiert ist.“ Ohne den Namen Hans-Georg Maaßen konkret zu nennen, sieht sie dahinter jedoch ein System. Wörtlich sagt sie: „Der Verfassungsschutz verlässt sich bei seiner Informationsbeschaffung zu sehr auf V-Leute in der rechten Szene.“
Der Raum im sechsten Stock ist inzwischen in orangefarbenes Licht getaucht, vor dem Fenster geht die Sonne unter, der Blick fällt auf die Volksbühne, das Büro der Linken Partei, den Fernsehturm und auf den Rosa-Luxemburg-Platz. Die Redakteure erzählen, dass während der Berlinale schon Paparazzi fragten, ob sie sich auf dem Dach der JW aufbauen dürften. Von dort ist der Blick in die Hotelzimmer des Soho House, dem früheren Hauptsitz der Hitlerjugend, nämlich besonders gut. Ein Redakteur zeigt auf ein Fenster gegenüber und sagt: „Dort, wo Licht brennt, da wohnte Bertold Brecht.“ Von dort habe er gesehen, wie hier am Platz Kommunisten verprügelt wurden. „Das hat er ihn endgültig zum Kommunisten gemacht.“
Die Redaktion der JW hat soeben, am 12. Februar, ihr 75. Jubiläum gefeiert. Die Geschichte dieses Blattes kann als turbulent beschrieben werden. Einer ihrer Autoren, Jürgen Elsässer, verließ vor einigen Jahren die Redaktion im Streit. Ein Text von Elsässer wurde nicht veröffentlicht, andere wurden zurückgezogen, Elsässer gründete schließlich eine Zeitschrift: Compact, inzwischen das Blatt für Impfgegner und Pegida-Anhänger – es wird auch vom Verfassungsschutz beobachtet.
Maduro? Huth: „Kein Sozialist, hat aber unsere Sympathie, weil er sich auf Hugo Chávez beruft, der eine große antikolonialistische Bewegung anführte.“ Kuba? Huth: „Großes leuchtendes Vorbild, solange es da ist. Leuchtturm des Anti-Kolonialismus, Vorbild der internationalen Solidarität.“ Nordkorea? Huth: „Schwierig, da gibt es interne Debatten und die Forderung von Lesern, dass wir sie, wie offiziell, Demokratische Volksrepublik nennen.“ Putin? „Seit er Ende 1999 Präsident der russischen Föderation wurde, hat er sich um sein Land enorm verdient gemacht. Russland war auf dem Weg, zu einem Rohstofflager für den Westen herabzusinken, aber er hat es zurück auf die Weltbühne geholt. Bei aller notwendigen Kritik an seinen imperialen Ambitionen, an denen der Westen eine Rolle hat, setzt sich Putin auch seit Jahren für eine multipolare Weltordnung ein.“ Giffey? Huth: „Für Berlin reicht’s.“