Dresden/Berlin. Annalena Schmidt wurde kürzlich damit gedroht, dass man ihr Säure ins Gesicht schütten werde. Die Täter schrieben, sie „wollen sich nicht die Hände schmutzig machen mit ihr“. Gehasst wird Annalena Schmidt so sehr, weil sie auf auf ihrer Internetseite rechtsextreme Übergriffe in Bautzen und Umgebung dokumentiert und notiert. Das brachte ihr in der neuesten Ausgabe der „Blauen Post Bautzen“, der lokalen AfD-Zeitung, den Spitznamen „Willkommensdomina“ ein. Hinzu kamen diverse Anfeindungen und zuletzt die Säure-Drohung.
Derlei Geschichten haben es früher noch bundesweit in die Schlagzeilen geschafft, aber inzwischen gilt Sachsen als Hochburg für derartige Drohungen oder gewalttätige Übergriffe, und es gibt weniger Berichte. Städte wie Bautzen, Freital, Heidenau, Clausnitz – sie alle haben inzwischen eine zweifelhafte Berühmtheit in ganz Deutschland. Es gab schon Boulevardzeitungen, die auf dem Titel die Deutschlandkarte druckten und den kleinen südöstlichen Freistaat als „Schandfleck“ braun ausmalten.
Auch die Landeshauptstadt Dresden kam in den vergangenen Jahren kaum aus den Schlagzeilen heraus, wenn es um fremdenfeindliche Übergriffe ging. Vor zwei Jahren wurden Brandanschläge auf Moscheen verübt, erst im Januar hetzte eine Gruppe einen Hund auf eine Asylbewerberin und vor wenigen Wochen riefen die Teilnehmer der Pegida-Demonstration im Hinblick auf die Bootsflüchtlinge: „Absaufen! Absaufen!“ – nachzusehen auf Youtube.
Tatsächlich – das zeigt auch die vom Freistaat durchgeführte Umfrage „Sachsen Monitor 2017“ – gibt es Unterschiede zum Rest Deutschlands. So stimmten 56 Prozent der Sachsen der Aussage zu, dass die Bundesrepublik „durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“ sei. Im Bundesdurchschnitt ist es nur ein Drittel. Rund 68 Prozent der Befragten meinen, dass Deutschland in diesen Zeiten „eine starke Hand“ brauche. Deutschlandweit sagen das nur 22 Prozent der Einwohner. Kein Wunder, dass die AfD in Sachsen bei der letzten Bundestagswahl stärkste Kraft wurde, mit 27 Prozent einen halben Prozentpunkt vor der CDU.
Mehrere wissenschaftliche Studien haben versucht, die Ursachen zu ergründen. Von einem Abgehängtsein lässt sich angesichts der florierenden sächsischen Wirtschaft kaum sprechen. Allerdings gibt es schon eine Enttäuschung bei vielen Ostdeutschen insgesamt, dass ihre Lebensleistungen während der Zeit der deutschen Teilung im Nachhinein weder anerkannt noch gewertschätzt wurden. Aus dieser Entwertung entsprang ein Trotz, der sich auch als Stolz äußern kann. Darauf weist unter anderem eine Göttinger Studie von Professor Franz Walter aus dem Jahr 2017 hin.
Rechte Portale suchen Schutz in Sachsen
Doch gerade diese Studie ist noch aus einem weiteren Aspekt interessant. Sie hat sich als Beispiel den Fall der „Gruppe Freital“ herangezogen und diesen genauer betrachtet. Die Stadt ist ähnlich wie Bautzen und Dresden zu einem Brennpunkt für fremdenfeindliche Gewalt geworden. So war Freital schon einmal 1991 in den Schlagzeilen, weil es gewalttätige Angriffe auf ein Flüchtlingsheim gab.
Aus dem kollektiven Gedächtnis der Freitaler aber ist dieses Ereignis gelöscht. Auch der Bürgermeister verweigere sich – so die Autoren der Studie – einer Diskussion über strukturelle Fremdenfeindlichkeit. Erst in diesem Jahr wurde die „Gruppe Freital“ zu langen Haftstrafen verurteilt. Sie hatte mehrere Sprengstoff-Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte im Jahr 2015 verübt. Doch es ist, als ob es diesen Prozess nicht gegeben hätte. Man weigere sich einfach, etwas Schlechtes über die eigene Heimat zu sagen.
Wenig überrascht da diese Meldung, die es kaum in überregionale Medien schaffte: Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass das rechte Internetportal „JouWatch“ seinen Sitz von Thüringen ins sächsische Meißen verlegt. Offenbar wollte das Portal dem Finanzamt Jena entgehen, das dessen Gemeinnützigkeit prüfen wollte. Wird die aberkannt, hätte das negative finanzielle Folgen. In Sachsen erhofft sich „JouWatch“ ein besseres Klima. Dort ist im kommenden Jahr Landtagswahl. Umfragen sehen die AfD bei 24 Prozent.
Erschienen in der Berliner Morgenpost am 23.8.2018.