Warum Berlin die Hauptstadt der Regenbogenväter ist

Omnino

Neulich war meine Tochter mal wieder einen Nachmittag hier in der Wohnung. Sie liebt das Klavier, darauf klimpert sie gern, ihr gefallen die tiefen Töne besonders. Oder sie hört zu, wenn ich ein Lied aus dem „Traumzauberbaum“ vorspiele oder den neuesten Bach, an dem ich gerade sitze. Irgendwann danach haben wir gepuzzelt, ein Puzzle, das eigentlich erst „ab 5 Jahre“ war. Meine Tochter ist erst vier Jahre alt, und wir haben das trotzdem sehr gut hinbekommen. Es zeigte Anna und Elsa von der „Eiskönigin“. Das ist ihr Lieblingsfilm, den sie fast mitsprechen, auf jeden Fall aber mitsingen kann. Wir puzzelten, im Ofen waren Cupcakes, die wir noch dekorieren wollten, als sie plötzlich zu mir hoch schaut und sagt: „Papa?“ – „Ja?“ – „Ich liebe dich.“

Ein Kind zu haben, ist natürlich mehr als solche Szenen, es hat mit Windeln und Tränen zu tun, mit Gerüchen und durchwachten Nächten. Aber es soll jetzt hier in diesem Text auch nicht so sehr um meine Beziehung zu meinem Kind gehen, sondern vielmehr darum, dass Berlin, diese Stadt mit Pop-up-Radwegen und Schlager-Nackt-Partys, es letztlich möglich gemacht hat, als schwuler Mann Vater zu werden, mich mit anderen Vätern zu vernetzen und obendrein unsere Erfahrungen jetzt in einem ersten Buch zu bündeln. Vor einer Woche ist das erste „Regenbogenväterbuch“ erschienen, und dessen Geburt im Sommer 2020 war auch alles andere als leicht.

Für mich begann alles bereits vor rund 18 Jahren, als ich den ersten Regenbogenvater persönlich kennen lernte. Es war ein Niederländer, der gerade Vater eines Sohnes geworden war und wegen der Berlinale in der Stadt war. Wir lernten uns auf einer der Teddy-Partys kennen. Doch der Amsterdamer erzählte auch gleich, wie schwierig das alles war. Gleich nach der Geburt zogen die Mütter an die niederländische Küste und überließen den Vater seinen Vatergefühlen. Der Sohn ist inzwischen längst volljährig und kommt öfter bei seinem Vater vorbei. Sie konnten die Zeit nicht aufholen, aber er sagt trotzdem, dass sein Sohn das Beste sei, was ihm je passiert sei.

Damals, vor 18 Jahren, hatte ich also die erste Idee, wie dieses Abenteuer Vaterschaft funktionieren könnte, obwohl ich mich gerade erst bei meinen Eltern geoutet hatte. Kurz nach meiner Ankunft in Berlin hatte ich mich noch einmal in eine Frau verliebt, aber nach zwei Monaten stellten wir beide fest, dass wir als gute Freunde besser funktionieren. Wie zum Beweis, dass das richtig war, verliebte sie sich kurz darauf in eine Frau. Spätestens da war ich wohl wirklich in Berlin angekommen.

Doch die Stadt hilft nicht gerade dabei, den Fokus auf große Ideen des Lebens zu richten. Das schwule Studenten-Leben in der Großstadt hatte schließlich eine klar strukturierte Woche: montags in den „Stillen Don“, dienstags in den „Ackerkeller“, mittwochs in die „Marietta“ oder den „Prinzknecht“ und donnerstags ins „Möbel Olfe“. Für jeden Tag der Woche gab es einen Treffpunkt für Single-Männer, die Bier trinken wollten. Am Wochenende erholte man sich von der anstrengenden Ausgeh-Woche oder traf sich in den diversen Clubs. Das alles war mit Familiengründung nur schwer vereinbar.

Erschienen in der Berliner Morgenpost, 26.07.2020